Kulturdenkmäler und eine Alltagsheldin

15 Teilnehmer lassen sich in Oberriexingen von Gabriele Hohn-Schwenninger auf eine Zeitreise durch die Geschichte mitnehmen. Der historische Stadtrundgang durch Oberriexingen, den Gabriele Hohn-Schwenninger alljährlich anbietet, stieß am Sonntag auf reges Interesse und lockte neben Neubürgern auch zahlreiche Alteingesessene jungen wie älteren Semesters an. Denn auch diesmal wurden wieder einige Geheimnisse aus der bewegten Vergangenheit der kleinsten Stadt im Landkreis gelüftet.

„Es ist schon etwas Besonderes, dass man hier auf so kleinem Raum in so kurzer Zeit einmal durch die Geschichte spazieren kann“, stellte Gabriele Hohn-Schwenninger gleich zu Beginn fest. Und in der Tat wartete auf die 15 Teilnehmer – die Anzahl war wegen Corona begrenzt worden – ein mit historischen Zeugnissen und amüsanten Anekdoten prall gefüllter, eineinhalb Stunden währender Streifzug durch mehrere Jahrtausende.

Von antiken Spuren zeugten nicht nur Relikte wie Römerkeller und Jupitersäule mit keltoromanischen Symbolen, sondern auch Nachweise von sieben keltischen Grabhügeln im Reutwald und von drei weiteren römischen Gutshöfen auf Oberriexinger Gemarkung, erfuhr man zunächst.
Danach ging es vom Kronenplatz, wo sich noch Anfang des vergangenen Jahrhunderts ein idyllischer Park mit Wildtieren befunden habe, vorbei am Backhäusle von 1830 hinunter zur Enz. Auch der Name des Fließgewässers hat übrigens keltische Wurzeln, denn „Anissa“ bedeute Fluss und Grenze, erläuterte die Stadtführerin am Hägelinstor. Die frühe Besiedlung des Gebietes sei wohl der Furt am Fluss zu verdanken, außerdem der ehemaligen großen Handelsstraße mit einer Pferdetauschstation ganz in der Nähe der heutigen B 10.

Trotz des nahen Limes als Schutz gegen einfallende Germanen seien die Alemannen schließlich in die Gegend vorgedrungen und hätten fast sämtliche römische Errungenschaften zerstört. Einer ihrer Sippenführer, Rudgisi („der ruhmreiche Speerträger“), gilt als Namensgeber des 793 erstmals urkundlich erwähnten Riexingen. Mit der Christianisierung sei die Siedlung weitergewachsen. 1250 erhielt Oberriexingen schließlich das Stadtrecht – damit einher gingen das Marktrecht, die kleine Gerichtsbarkeit sowie die Befestigung mit einer bewehrten Mauer, einem Wassergraben und zwei Stadttoren, „denn die Furt bildete gleichzeitig ein Einfallstor für Raubritter“, so Hohn-Schwenninger.
Mit ihr durchwanderte man anschließend das so genannte Hafenviertel, flanierte vorbei an „richtig tollen Häusle“ mit wunderschönem Fachwerk, wie Neubürgerin Petra Jeckstädt begeistert feststellte, und erfuhr an den Hochwassermarken, wie die Oberriexinger bis zum Dammbau mit der wiederkehrenden Überschwemmung lebten. Zudem wurde die Flößerei, die bis zum Bau der Eisenbahn als Transportmittel das Leben an der Enz mitbestimmte, thematisiert und die Frage geklärt, weshalb fast alle Flößer nicht schwimmen konnten – weil nämlich so am ehesten gewährleistet gewesen sei, dass sie ihr Floß auch in stürmischem Wasser nicht aufgeben würden. In der Brunnengasse löste man gemeinsam ein weiteres Rätsel, nämlich das um eine unspektakuläre rechteckige Maueraussparung, die Gabriele Hohn-Schwenninger schließlich als ehemalige Nachtwächterstempelstelle identifizierte, bevor sie mit der Gruppe an der Zehntscheuer vorbei über ein verstecktes Kirchenwegle (sogar für manche Alteingesessene eine neue Erfahrung) zu einem der ältesten Privathäuser schritt.
Kurz nach dem verheerenden Stadtbrand von 1693 auf dem bestehenden Kellergewölbe wiedererrichtet, enthielt es das sogenannte Franzosenloch – ein Versteck, von dem aus ein Geheimgang nach außen geführt haben soll.

Wie viele andere Städte in der Umgebung war nämlich auch Oberriexingen fast vollständig von den französischen Truppen unter General Mélac in Schutt und Asche gelegt worden. Das herrschaftliche Haus beherbergte dann über hundert Jahre lang die Obrigkeit, die die Geschicke des ehemaligen Wengerter-Städtchens bestimmte. Ein anderes Kulturdenkmal, das frisch restaurierte Fachwerkhaus in der Hauptstraße 20 am einstigen „Marktbronnen“, wurde ebenfalls wiederaufgebaut, wie einer der Eckpfeiler mit der Jahreszahl 1601 belegt.
Auch auf Details wie Steinmetzzeichen, ein Sonnensymbol oder den plastisch herausragender Jagdhund-Kopf machte Gabriele Hohn-Schwenninger aufmerksam und verwies auf die vermutlich recht bedeutende Hofanlage. Dass sich bei der Führung ein junges Paar als Neumieter dieses Schmuckstückes zu erkennen gab, machte die Spurensuche noch interessanter. Vorbei am historischen Rathaus, der Herrschaftskelter und den Felsenkellern oberhalb des ehemaligen Wallgrabens, („den der Bügeleisenfabrikant Karl Kaltschmid zuschütten ließ, als der Bürgermeister mal nicht da war“) ging es an der neu renovierten Stadtmauer vorbei zum nächsten Wahrzeichen der Stadt – der Georgskirche. Auch sie musste mehr als einmal auf- und umgebaut werden, wie die Zuhörer erfuhren – ebenso, dass, wenn man um die Kirche grabe, auch mal ein Knöchelchen hervorkomme. Schließlich stehe man gerade auf dem ehemaligen Kirchhof.

Eine andere Institution, auf die man vom Pfarrgarten blickt, ist das Gasthaus Adler. Seit mehr als 200 Jahren in Familienbesitz war es besonders zu Flößerzeiten eine florierende Schilderwirtschaft. Eine ebensolche, aber mit wechselnden Eigentumsverhältnissen, stellte der „Rappen“ wenige Meter daneben dar. Seine ehemalige Scheune sei auf 1580 datiert gewesen, erklärte Gabriele Hohn-Schwenninger zu dem denkmalgeschützten Bauwerk, das derzeit leer steht, für das der aktuelle Besitzer aber offenbar neue Pläne hegt. „In den 50er Jahren gab es dort tolle Dinge“, verriet sie außerdem. Denn im Rappen hätten früher auch Tanzkurse stattgefunden, und zwar mit keiner geringeren als mit Ruth Milling, einer der Vaihinger Alltagsheldinnen. Sie sei unter anderem als Operettensängerin und Tänzerin „durch halb Europa getingelt“ und habe sich dann nach dem Krieg hier niedergelassen. Dass es sich bei ihrer Tanzlehrerin in der Tat um eine „sehr interessante Frau“ handelte, die „richtig zupacken konnte“, bestätigte Brigitte Arnold aus der Runde der Anwesenden quasi als Zeitzeugin nur zu gerne.

Text und Bild mit freundlicher Genehmigung von Vera Gergen/VKZ