Von Vera Gergen, 21.10.2024
Oberriexingen. „Als die Oberriexinger aufmüpfig wurden“ – so lautet eines der Plakate der kleinen, aber feinen Ausstellung zum 50-jährigen Eigenständigkeitsjubiläum der Enzstadt, die sich mit einem anderen Exponat auf die „Selbständigkeit seit 1360. Mindestens.“ beruft.Recherchiert wurden die Beiträge von Stadtrat Erich Bannert und Alexandra Pistikos vom Stadtarchiv in Kooperation mit Altbürgermeister Willi Baur, die Konzeption und Gestaltung lieferte Jochen Faber vom Büro Info Idee. Bei einer kleinen Podiumsrunde, die Dorothee Kauer, Redaktionsleiterin der Vaihinger Kreiszeitung, moderierte, kamen am Sonntagnachmittag, 20.10.2024 nicht nur die Zeitzeugen Willi Baur, Grete Werner-Wesner und Dieter Stahl zu Wort, sondern es gab auch einige Meldungen aus dem bunt gemischten Publikum. Wie die Journalistin zu Beginn ausführte, habe Anfang der 1970er Jahre die Diskussion über die Kreisreform das lokale Geschehen und damit auch die Berichterstattung in der Zeitung bestimmt. Vielerorts habe es Widerstände gegeben – so auch in Oberriexingen. Dies bestätigte Willi Baur und gestand zugleich schmunzelnd: „Mir ging es dabei auch um die Erhaltung meines Jobs.“ Schließlich habe er nicht gleich nach seiner Wahl 1971 sein Bürgermeisteramt schon wieder an den Nagel hängen wollen. Deshalb habe er ein Bürgerkomitee gegründet, das zusammen mit ihm und dem Gemeinderat mittels unterschiedlichster Aktivitäten um den Erhalt der Selbstständigkeit gekämpft habe. Dazu zählten „sehr kreative Proteste“, wie Dorothee Kauer es formulierte, während sie ein altes Zeitungsfoto mit einem „Nein“-geschmückten Dackel zeigte. Unter anderem wurden ein „Kampf- und Trunklied“ der Stadt Oberriexingen komponiert, eine Schallplatte mit engagierten Beiträgen zur Verbreitung der Argumente produziert und „gesellige Treffen“ mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten Lothar Späth eingefädelt, der sich auf Landesebene für die Unabhängigkeit Oberriexingens einsetzte.
Dieter Stahl, damals junger Gemeinderat, wurde abgeordnet, Sondierungsgespräche mit den Bürgermeistern in Vaihingen, Sersheim und Unterriexingen zu führen. Dabei sei schnell und ganz klar herausgekommen, dass man mit keiner dieser Kommunen zusammengehen wollte. Grete Werner-Wesner engagierte sich zusammen mit ihrem Mann ebenfalls sehr stark für die Sache. „Es war eine wahnsinnig interessante Zeit, mit einer unglaublichen Einigkeit“, konstatierte sie rückblickend. Alle hätten für das gemeinsame Ziel an einem Strang gezogen, ob Gemeinderat, Vereine oder Privatleute.
99,2 Prozent stimmen gegen den Zusammenschluss mit Sersheim.
Und dieser enorme Zusammenhalt habe bis heute Bestand und präge das Gemeindeleben, bestätigte Willi Baur. So gab es bei der Abstimmung am 20. Januar 1974 eine 99,2-prozentige Mehrheit gegen den Zusammenschluss mit Sersheim.
Über die wenigen Gegenstimmen sei danach noch heftig im Ort geredet worden. Dazu meldete sich Heinrich Kutz aus dem Publikum zu Wort. Er sei Ende 1973 mit seiner Gattin aus Sersheim nach Oberriexingen gezogen und so sei der Verdacht rasch auf sie beide gefallen. Dabei hätten sie durch den Wechsel zu dieser Zeit weder Bürgerwahlrecht in Sersheim noch in Oberriexingen besessen. „Wir waren es also nicht. Und wir fühlen uns seither pudelwohl in der Stadt“, so das Ehepaar. Als dann am 14. Februar 1974 das Landeskabinett beschloss, dass Oberriexingen selbstständig bleibt, sei die Nachricht übers Radio gekommen, erinnerte sich Willi Baur und gab noch eine weitere Anekdote zum Besten: „Wir saßen damals im Adler zusammen und der Adler-Wirt Erich Schüle meinte, jetzt müssen wir die Rathausglocke läuten. Also sind wir rüber und haben am Strick gezogen. Da liefen sieben kleine Mäuse am Seil runter und der Strick ist gekracht. So sind wir hoch in den Dachstuhl und haben die Glocke von Hand bedient, dass jeder in Oberriexingen wusste, es hat geklappt.“
„Unbedingt zufrieden über die Unabhängigkeit“ sind viele Bürgerinnen und Bürger offenbar auch heute noch, wie eine kleine Umfrage bei den anwesenden Zuschauern ergab. Vor allem die Integration der zahlreichen Neubürger gelinge insbesondere durch den vorhandenen starken Zusammenhalt in der Stadt und dank des regen Vereinslebens, ist sich Willi Baur sicher und blickt deshalb auch weiterhin positiv in die Zukunft – sollte es, wie Bürgermeister Ron Keller eingangs unkte, künftig vielleicht nochmals zu einer Gemeindestrukturreform kommen und die „Oberriexinger Aufmüpfigkeit“ erneut auf die Probe gestellt werden.
Text und Bild mit freundlicher Genehmigung der VKZ/Vera Gergen
Die kleine Ausstellung kann zu den üblichen Öffnungszeiten im Eingangsbereich des Rathauses, Hauptstr. 14 besucht werden (Mo, Di, Do, Fr 8 - 12 Uhr, Di 16-18 Uhr, Do 16-19 Uhr mittwochs geschlossen).
Der Videomitschnitt des Interviews ist unter https://youtu.be/lw37a6EAy40 abrufbar.